In Vertretung der Toten - Ein Jake-Lassiter-Krimi (German Edition) by Paul Levine

In Vertretung der Toten - Ein Jake-Lassiter-Krimi (German Edition) by Paul Levine

Autor:Paul Levine [Levine, Paul]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2014-10-15T04:00:00+00:00


Ich las die Post durch, beantwortete einige Anrufe, vermied die Konferenz der Partner, in der es um die Anschaffung neuer Kunstwerke für die Lobby ging – Andy Wyeth lag mit fünf zu eins gegen Andy Warhol in Führung – und fuhr dann zum Miami Herald. Susan Corrigan wartete auf mich hinter dem Gebäude, auf dem Fußweg, der die Bucht überblickte. Sie beobachtete einen Lastkahn, von dem riesige Rollen Zeitungspapier auf den Pier verladen wurden. Die Zugbrücke des MacArthur Causeway war hochgezogen und zweihundert Autofahrer mussten warten, bis ein reicher Kerl mit seinem herausgeputzten Hinckley-Boot unter ihr mit drei Knoten durchgetuckert war. Eine steife, warme Brise aus Osten brachte die amerikanische Fahne, die über dem Pfad wehte, zum Knattern und die Sonne von Miami erhitzte den Beton.

Susan war in ihrer Reporteruniform: Laufschuhe, verwaschene Jeans mit einem Notizblock in der hinteren Hosentasche. Sie hatte ihre Brille auf ihr kurzes schwarzes Haar geschoben. Auf dem Lastkahn war ein Gabelstapler noch immer damit beschäftigt, das Zeitungspapier auf den Pier zu rollen.

»Ganz schön viele Bäume haben dran glauben müssen, nur damit du über ein paar groß geratene Jungs in Plastikkappen schreiben kannst, die einem komisch aussehenden Ball nachrennen.«

Sie schreckte auf. »Oh, du hast mich erschreckt. Ich habe nachgedacht.«

»Aber nicht über mich.«

»Ein bisschen auch über dich«, sagte sie, ehrlich wie immer. »Aber mehr über Dad und alles, was geschehen ist. Hast du von Charlie gehört?«

»Noch nicht. Sollte morgen mehr wissen.«

»Was werden wir dann machen? Ich meine, falls die Droge im Gehirn und in der Leber auftaucht?«

»Ich weiß es nicht. Ich mache das lieber Schritt für Schritt. Charlie und ich haben Roger heute gesagt, wir haben die Leiche und lassen sie untersuchen. Das schien ihn nicht zu berühren. Bis jetzt ergibt nichts einen Sinn.«

Sie dachte einen Augenblick nach. »Die Sache könnte dich in Schwierigkeiten bringen, oder?«

»Meinst du? Unbefugtes Betreten, Zerstörung von Eigentum, Grabräuberei, Belastung meines eigenen Klienten? Könnte lediglich zum Ausschluss aus der Anwaltskammer führen und einem Kurzaufenthalt im Avon Park-Gefängnis, weil es mein erstes Vergehen ist.«

»Warum tust du es dann?«

Das Hinckley-Boot fuhr langsam vorbei und ein dicklicher Mann mittleren Alters und drei blasierte Teenager winkten uns zu. Die Zugbrücke klickte in Stellung zurück, mit dem kreischenden Geräusch von Metall auf Metall. Dann sagte ich endlich: »Vielleicht bin ich noch immer auf der Suche nach den Guten.«

»Den Guten?«

»Das ist es, was ich auch Roger Salisbury gesagt habe. Dass ich nach wie vor nach guten Kerlen Ausschau halte, ohne sie je zu finden.«

Sie lehnte sich mir zu und küsste mich. »Bin ich ein guter Kerl?«

Wie seltsam. Darüber hatte ich selbst schon nachgedacht. »Das hoffe ich, weil ich mich auf deine Seite geschlagen und Roger aufgegeben habe. Ich habe aufgehört, mich um die Spielregeln zu kümmern, ich will einfach nur tun, was richtig ist.«

»Klingt sehr nobel.«

»Oder dumm. Vielleicht haben mich diese tiefen braunen Augen bezirzt und die Art, wie du unter einer Steppdecke kuschelst.«

Sie versteifte sich. »Wenn du das glaubst, solltest du das Spiel aufgeben und duschen gehen.«

Ich glaubte es nicht. Ich lächelte sie an und sie wusste, dass ich es nicht glaubte.



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